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Beispielsfall zur Anfechtung

Um sich von der Anfechtung ein besseres Bild machen zu können, wird ein Sachverhalt dargestellt, der dann als Ausgangspunkt für die Verbildlichung dient.

Beispielsfall: Anfechtung

Die kürzlich nach Bayreuth gezogene Amelie (A) möchte zum Semesterstart optimal auf ihr Studium vorbereitet sein, weswegen sie beschließt, sich einen neuen Kugelschreiber zuzulegen. Bei einem Spaziergang durch die Maximilianstraße trifft A auf ihren Kommilitonen Benjamin (B), der ihr im Verlauf des Gesprächs berichtet, dass er einen neuen und gut in der Hand liegenden Kugelschreiber zu Hause liegen hat. A fragt den B daraufhin, ob er ihr den Kugelschreiber für 50,- € verkauft. Hierbei verspricht sie sich, denn eigentlich will sie 15,- € sagen, erkennt das jedoch nicht. Voller Freude über diesen guten Deal nimmt B das Angebot an. Am nächsten Tag trifft B die A auf dem Campus und verlangt die Zahlung von 50,- €. Jetzt erst fällt A der Fehler auf. Sie erklärt dem B, dass sie nicht bereit ist, 50,- € für den Kugelschreiber zu bezahlen, da sie sich versprochen habe und sie von dem Vertrag Abstand nimmt. B verlangt die 50,- € dennoch. 
 

Zu Recht?

Der Sachverhalt lässt sich in 5 relevante Zeitabschnitte einteilen:

Beispielsfall Anfechtung.png

Im Folgenden wird die Rechtslage in den Zeitabschnitten 2, 4 und 5 behandelt:

Zeitabschnitt 2 - Vertrag

„A fragt den B daraufhin, ob er ihr den Kugelschreiber für 50,- € verkauft. Hierbei verspricht sie sich, denn eigentlich will sie 15,- € sagen, erkennt das jedoch nicht. Voller Freude über diesen guten Deal nimmt B das Angebot an.“

Beispielsfall Anfechtung Abschluss von Kaufvertrag.png

Tatbestand: Aus Sicht eines objektiven Betrachters in der Lage des Erklärungsempfängers, §§ 133, 157 BGB hat A hier dem B, ein Angebot (= Willenserklärung) in Höhe von 50,- € gemacht. B hat dieses Angebot (= Willenserklärung) angenommen. Es liegen also zwei übereinstimmende Willenserklärungen vor, womit ein Vertrag zustande gekommen ist. Dass sich A bei der Abgabe ihrer Willenserklärung verspricht, hindert das Zustandekommen dieses Vertrages nicht. Wie bereits bei der Behandlung des Tatbestands der Willenserklärung gesehen, ist der Geschäftswille nämlich kein notwendiges Merkmal, um vom Vorliegen einer Willenserklärung und letztlich eines Vertrags auszugehen. Dass die objektiv bezeichnete Rechtsfolge (50,- €) mit dem subjektiven Geschäftswillen (15,- €) nicht übereinstimmt, ist für das Zustandekommen des Vertrags also unbeachtlich.

Rechtsfolge: Rechtsfolge dieses Tatbestands ist die Entstehung eines vertraglichen Schuldverhältnisses mit Rechten und Pflichten nach den §§ 433 ff. BGB. A kann nun von B gem. § 433 I 1 BGB die Übergabe und Übereignung des Kugelschreibers verlangen (= Anspruch). B kann nun von A gem. § 433 II BGB die Zahlung des Kaufpreises verlangen (= Anspruch).
 

Zeitabschnitt 2 - Irrtum

„Hierbei verspricht sie sich, denn eigentlich wollte sie 15,- € sagen“

Beispielsfall Anfechtung Entstehung von Anfechtungsrecht.png

Tatbestand: Wie gesagt fällt hier der objektive Erklärungstatbestand der Willenserklärung (50,- €) mit dem subjektiven Erklärungstatbestand (15,- €) auseinander.

Willenserklärung auseinanderfallen von obj u geschäftswille ROT.png

Rechtsfolge: Zwar lässt das die Willenserklärung unberührt, gem. § 119 I Alt. 2 BGB führt dieser Umstand jedoch zur Entstehung eines Anfechtungsrechts. Die A ist sich nämlich nicht darüber im klaren, was sie gerade gesagt hat (15,- €). Sie kann (= Anfechtungsrecht) ihre Erklärung also anfechten. Bei dem Anfechtungsrecht handelt es sich um ein Gestaltungsrecht. Seine Existenz lässt den Vertrag unberührt. Es muss erst ausgeübt werden, bevor es gestaltende Wirkung entfaltet. Man spricht ab dem Zeitpunkt der Entstehung des Anfechtungsrechts von einem gültigen, aber anfechtbaren Rechtsgeschäft.

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Zeitabschnitt 4 - Anfechtung

Sie erklärt dem B, dass sie nicht bereit ist, 50,- € für den Kugelschreiber zu bezahlen, da sie sich versprochen habe und sie von dem Vertrag Abstand nimmt.

Beispielsfall Anfechtung Anfechtungserklärung.png

Tatbestand: Tatbestandlich handelt es sich bei dieser Aussage der A um eine Anfechtungserklärung gem. § 143 I BGB. Zwar hat sie mit keinem Wort von „Anfechtung“ gesprochen, jedoch ergibt dies eine Auslegung (§§ 133, 157 BGB) ihrer Aussage.

Rechtsfolge: Rechtsfolge der Ausübung des Anfechtungsrechts ist gem. § 142 I BGB die anfängliche Nichtigkeit des angefochtenen Rechtsgeschäfts (hier des Kaufvertrages). Hierbei gilt es die Rückwirkung der Anfechtung zu beachten. Rechtlich betrachtet war das Rechtsgeschäft „Kaufvertrag“ also nie wirksam:

Beispielsfall Anfechtung Rechtsfolgen der Anfechtung.png
Zeitpunkt 5 - Verlangen des B

B verlangt die 50,- € dennoch.

Beispielsfall Anfechtung Ergebnis.png

Schlussendlich lässt sich festhalten, dass die Rechtsfolgen des Rechtsgeschäfts „Kaufvertrag“ aufgrund der Anfechtung gem. § 142 I BGB als nie eingetreten anzusehen sind. B hat demnach zum Zeitpunkt 5 keinen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises gemäß § 433 II BGB.

Das war der Beispielsfall zur Anfechtung, hier geht es weiter zum Prüfungsschema der Anfechtung.

Text und Grafiken von Nicholas Backhouse

Quellen:

1: Grüneberg/Ellenberger, 82. Aufl. 2023, § 143, Rn. 3.

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