Orientierung - Privatrecht
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Die Wirksamkeit der Willenserklärung
Mit dem Vorliegen des Tatbestands der Willenserklärung ist es nicht getan. Hinzu kommen muss, dass die Willenserklärung wirksam wird. Außerdem dürfen der Willenserklärung keine Wirksamkeitshindernisse entgegenstehen.
Wir betrachten nun diesen Teil

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Beachte:
Sind im Sachverhalt keine Anhaltspunkte für das Vorliegen von Wirksamkeitshindernissen gegeben, sollten diese überhaupt nicht (!) angesprochen werden.
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Beachte:
Die Frage der Wirksamkeit der Willenserklärung ist eine andere als die Frage der Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts. Vorschriften, die die (Un-)Wirksamkeit einer Willenserklärung anordnen (= Wirksamkeitserfordernisse und Wirksamkeits-hindernisse bezüglich Willenserklärungen) sind andere Vorschriften als solche, die die (Un-)Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts anordnen (= Wirksamkeitserfordernisse und Wirksamkeitshindernisse bezüglich Rechtsgeschäfte).
Wirksamkeitserfordernisse
Im folgenden geht es zunächst um die Wirksamkeitserfordernisse, also die besonderen Voraussetzungen, die stets gegeben sein müssen, damit die Willenserklärung wirksam ist.
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Arten von Willenserklärungen
Die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Willenserklärung wirksam wird, hängt davon ab, ob es sich um eine empfangsbedürftige oder nicht empfangsbedürftige Willenserklärung handelt.

Definition: Nicht empfangsbedürftige WE
Eine nicht empfangsbedürftige Willens-erklärung ist eine solche, die nicht an einen Adressaten zu richten ist.
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Definition: Empfangsbedürftige Willenserklärung
Eine Empfangsbedürftige Willens-erklärung ist eine solche, die einem anderen gegenüber abzugeben ist.
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Beispiel: Nicht empfangsbedürftige WE
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Testament, §§ 2147 ff. BGB
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Auslobung, §§ 657 ff. BGB
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Einseitiges Stiftungsgeschäft, §§ 81 ff. BGB
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Dereliktion, § 959 BGB
Beispiel: Empfangsbedürftige WE
Die meisten Willenserklärungen sind empfangsbedürftig. Im Gesetz erkennt man sie an dem Wort „gegenüber“:
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Dass Angebot und Annahme empfangsbedürftig sind, ergibt sich aus den §§ 145 ff. BGB
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Die Anfechtung „erfolgt durch Erklärung gegenüber (= Empfangsbedürftigkeit) dem Anfechtungsgegner“, § 143 I BGB
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Der Rücktritt „erfolgt durch Erklärung gegenüber (= Empfangsbedürftigkeit) dem anderen Teil“, § 349 BGB
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Die Zustimmung muss dem einen/anderen Teil „gegenüber (= Empfangsbedürftigkeit) erklärt werden“, § 182 I BGB
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...
Wirksamwerden von Willenserklärungen
Auf dieser Unterteilung baut die folgende Übersicht zum Wirksamwerden von Willenserklärungen auf, die im Weiteren Schritt für Schritt durchgegangen wird.

Wirksamwerden nicht empfangsbedürftiger Willenserklärungen

Da diese Willenserklärungen nicht einem anderen gegenüber abgegeben werden müssen, werden sie bereits dann wirksam, „wenn sie äußerlich als Willenserklärung in Erscheinung getreten sind, mit anderen Worten: Mit Abgabe der Erklärung.“
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Definition: Abgabe (einer nicht empfangsbedürftigen Willenserklärung)
„Die Abgabe einer nicht empfangsbedürftigen Willenserklärung liegt vor, wenn der Erklärende sich der Erklärung entäußert hat.“
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Beispiel: Wirksamwerden nicht empfangsbedürftiger Willenserklärungen
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Unterschreiben des Testaments
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Durch die öffentliche Bekanntmachung gem. § 657 BGB
Wirksamwerden empfangsbedürftiger Willenserklärungen
Das Wirksamwerden empfangsbedürftiger Willenserklärungen gestaltet sich um einiges schwieriger. Um hier nicht den Überblick zu verlieren, muss man die Willenserklärungen weiter danach unterscheiden, ob sie einem Anwesenden oder einem Abwesenden gegenüber erklärt werden.

Definition: Gegenüber Anwesenden
Willenserklärungen unter Anwesenden sind solche, bei denen eine unmittelbare Kommunikation mit dem Empfänger möglich ist.
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Definition: Gegenüber Abwesenden
Willenserklärungen unter Abwesenden sind solche, bei denen keine unmittelbare Verständigung mit dem Empfänger möglich ist.
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Beispiele: WE unter Anwesenden
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WE, die mündlich erklärt wird
WE, die telefonisch erklärt wird
WE, die in Videokonferenzen (beispielsweise Zoom) erklärt wird
WE, die in Chats (bspw. WhatsApp) erklärt wird
Beispiele: WE unter Abwesenden
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WE, die mittels Brief versendet wird
WE, die mittels Telefax versendet wird
WE, die mittels E-Mail versendet wird
WE, die auf einen Anrufbeantworter gesprochen wird
Schließlich muss man die Willenserklärungen weiter danach unterteilen, ob es sich um verkörperte Willenserklärungen (insb. schriftliche und damit dauernd wahrnehmbare) oder ob es sich um nicht verkörperte Willenserklärungen (inbs. mündliche und damit flüchtige) handelt.
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In all diesen vier Konstellationen muss die Willenserklärung jedenfalls abgegeben werden, damit sie wirksam werden kann.
Definition: Abgabe einer empfangsbedürftigen Willenserklärung
Abgabe meint die bewusste und willentliche Entäußerung in Richtung auf den richtigen Empfänger, sodass bei Zugrundelegung normaler Verhältnisse mit dem Zugang beim Empfänger gerechnet werden kann.
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Problematisieren muss man die Abgabe, wenn es um Fälle der sog. „abhandengekommenen Willenserklärung“ geht. Hierzu wird noch ein extra Exkurs erstellt.
Ist die Willenserklärung abgegeben, stellt sich die Frage, in welchem Zeitpunkt die Willenserklärung wirksam wird. Um die Beantwortung und die damit einhergehenden Probleme dieser Frage zu veranschaulichen, wird im nächsten Schaubild der Weg einer empfangsbedürftigen verkörperten Willenserklärung dargestellt.
































