Orientierung
Subjektive Rechte
Weil das Thema des subjektiven Rechts historisch, politisch als auch rechtlich unheimlich aufgeladen ist, fühle ich mich verpflichtet, das Thema mit einer typischen Lehrbuchdefinition einzuleiten:

Definition: Subjektives Rechte
„Das subjektive Recht ist eine Rechtsmacht, die dem Einzelnen von der Rechtsordnung als ein Mittel zur Wahrung seiner Interessen verliehen ist.“
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Vorstellen kann man sich subjektive Rechte wie einen rechtlichen Werkzeugkasten, der dem Einzelnen von der Rechtsordnung in die Hand gedrückt wird.
Im Gesetz bemerkbar machen sich subjektive Rechte durch Worte wie:
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„Recht“, „... hat das Recht ...“, „... ist berechtigt...“
-
„Können“, „kann ...“,
-
„Dürfen“, „darf ...“,
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„Möglichkeit“,
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„Befugnis“,
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„Berechtigung“,
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„Fähigkeit“,
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„Kompetenz“,
-
...
Beispiel: Subjektive Rechte
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§ 903 S. 1: „Der Eigentümer (…) kann (…)“
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§ 985: „Der Eigentümer kann (…) verlangen“
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§ 323 I: „ (…) kann der Gläubiger (…) zurücktreten“
Einteilung von subjektiven Rechten
Im Privatrecht ist es üblich, zwischen absoluten Rechten, Ansprüchen und Gestaltungsrechten zu unterscheiden:
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Beispiel: Subjektive Rechte
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§ 903 S. 1: „Der Eigentümer (…) kann (…)“ = Absolutes Recht
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§ 985: „Der Eigentümer kann (…) verlangen“ = Anspruch
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§ 323 I: „ (…) kann der Gläubiger (…) zurücktreten“ = Gestaltungsrecht
Verorten lassen sich diese subjektiven Rechte i.R.d. Rechtsfähigkeit:

Im Folgenden werden die Arten subjektiver Rechte Schritt für Schritt durchgegangen:
Absolute Rechte

Definition: Absolutes Recht
Ein absolutes Recht ist ein Recht, das sich gegen jedermann richtet.
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Beispiele:
Leben
Körper
Gesundheit
Freiheit
Allgemeines Persönlichkeitsrecht
Recht am eigenen Bild
Namensrecht
Eigentum
Hypothek
Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
Urheberrecht
Patentrecht
u.v.m.
Absolute Rechte lassen sich weiter danach unterteilen, ob sie Vermögensrechte und damit veräußerlich sind oder Nichtvermögensrechte und damit unveräußerlich.
Vermögensrecht
Beispiele:
Leben
Körper
Gesundheit
Freiheit
Allgemeines Persönlichkeitsrecht
Recht am eigenen Bild
Namensrecht
Eigentum
Hypothek
Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
Urheberrecht
Patentrecht
u.v.m.
Nichtvermögensrecht
Ansprüche

Definition: Anspruch
Ein Anspruch ist das Recht, von einem andern ein Tun oder Unterlassen zu verlangen, § 194 I BGB.
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Definition: Forderung
Eine Forderung ist ein schuldrechtlicher Anspruch.
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Beispiele:
Anspruch auf Kaufpreiszahlung gem. § 433 II
Anspruch auf Übergabe und Übereignung der Kaufsache gem. § 433 I 1
Anspruch auf Schadensersatz gem. § 122 I
Herausgabeanspruch gem. § 985
Anspruch Schadensersatz gem. § 823 I
Anspruch auf Herausgabe gem. § 812 I 1 Alt. 1
u.v.m.
Beachte, dass Ansprüche immer mit jeweiligen Pflichten korrespondieren. Dies gilt sowohl für Forderungen (= schuldrechtliche Ansprüche) als auch sonstige Ansprüche.

Gestaltungsrechte

Definition: Gestaltungsrecht
Gestaltungsrechte geben dem Berechtigten die Möglichkeit, einseitig (ohne Mitwirkung eines anderen) auf die Rechtslage einzuwirken.
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Beispiele:
Anfechtungsrecht
Rücktrittsrecht
Widerrufsrecht
Kündigungsrecht
Befugnis zur Fristsetzung
u.v.m.
Ich stelle mir Gestaltungsrechte immer so vor, als würden sie sich um ein Rechtsverhältnis winden:

Letztlich hat das Auswirkungen auf die Übertragbarkeit des Gestaltungsrechts. Näheres kommt hierzu im Schuldrecht.

Die Pflicht
Zitat:
„(...) Die Rechtspflicht, wird von der allgemeinen Rechtslehre auffallend stiefmütterlich behandelt“
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Definition: Pflicht
„Unter einer Rechtspflicht ist ein bestimmtes, heteronomes „Sollen“ zu verstehen, das die Rechtsordnung auferlegt.“
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Eine subjektive Pflicht ist die Einschränkung von (rechtlicher) Macht durch die Rechtsordnung. Letztlich rechtliches Müssen. Alles, was den Handlungsspielraum des Einzelnen also verkleinert, ist eine subjektive Pflicht.
Im Gesetz bemerkbar macht sie sich durch Formulierungen wie
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„Müssen“, „muss ...“,
-
„Sollen“, „soll ...“,
-
„hat … zu ...“,
-
„ist … zu...“,
-
„Pflicht“, „ist verpflichtet“,
-
…
Beispiel: Pflichten im BGB
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§ 433 I 1 BGB: „(…) wird der Verkäufer (…) verpflichtet“ = Verpflichtung/Pflicht, die mit einem Anspruch korrespondiert
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§ 241 II BGB: „Das Schuldverhältnis kann (...) zur Rücksicht (...) verpflichten.“
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§ 377 I HGB: „ (...) so hat der Käufer die Ware (...) zu untersuchen und, wenn (...), Anzeige zu machen.“
Einteilung von Pflichten
Auch Pflichten lassen sich in bestimmte Gruppen einteilen:

Definition: Obliegenheit
Obliegenheiten kann man als Pflichten geringerer Intensität verstehen.
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Definition: Jedermannspflicht
„Das sind Pflichten, die gegenüber jedermann bestehen und die jeder beachten muss.“
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Definition: „Relative“ Pflichten
Das sind solche Pflichten, die nur zwischen bestimmten Personen bestehen.
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Text und Grafiken von Nicholas Backhouse
Quellen:
1: Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 12. Aufl. 2022, Rn. 63; siehe außerdem: v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 1, 1840, § 4, S. 7;Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl., Frankfurt/M. 1891, § 37, S. 87 f.; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl. 2008, S. 355; Stadler, Allgemeiner Teil des BGB, 20. Aufl. 2020, § 4 Rn. 1 f.; Kreutz, Rechtsverhältnis und subjektive Rechte als Grundbausteine der Zivilrechtsordnung, ZJS 2020, S. 536; Brox/Walker, Allgemeiner Teil des BGB, 46. Aufl. 2022, § 28 Rn. 3, 10 ff; Schoch/Schneider, VwGO Vor. § 42, Rn. 46; Leipold, BGB I, 11. Aufl. 2022, § 7 Rn. 33 f.
2: Zum Schaubild: Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl. 2008, S. 64, 363 ff.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 12. Aufl. 2022, Rn. 64; Stadler, Allgemeiner Teil des BGB, 20. Aufl. 2020, § 5 Rn. 2; Leipold, BGB I, 8. Aufl. 2015, S. 80; Brox/Walker, Allgemeiner Teil des BGB, 46. Aufl. 2022, § 28 Rn. 13. Die Unterteilung ist bei jedem Lehrbuch etwas anders, weswegen hier versucht wurde nur das Wichtigste darzustellen. Zu beachten ist auch, dass nicht alle Rechte bestimmten Gruppen zugeordnet werden können, weswegen das Schaubild als nicht abschließend verstanden werden muss.
3: Brox/Walker, Allgemeiner Teil des BGB, 46. Aufl. 2022, § 28 Rn. 24; Rüthers/Fischer/Birk, 10. Aufl., Rn. 64; Stadler, Allgemeiner Teil des BGB, 20. Aufl. 2020, § 5 Rn. 1; Kreutz, ZJS 2020, S. 535 f.
4: Geprägt wurde der Paragraph von Windscheid: „Subjektives Recht ist das Recht auf ein gewisses Verhalten (Tun oder Unterlassen) der dem Berechtigten gegenüberstehenden Person(en). Die Rechtsordnung hat auf Grund eines konkreten Tatbestandes einen Befehl zu einem Verhalten bestimmter Art erlassen und diesen Befehl demjenigen, zu Gunsten dessen sie ihn erlassen hat, zur freien Verfügung hingegeben.“, in Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl., Frankfurt/M. 1891, § 37, Seite 87 f.
5: Brox/Walker, Allgemeiner Teil des BGB, 46. Aufl. 2022, § 28 Rn. 21; Stadler, Allgemeiner Teil des BGB, 20. Aufl. 2020, § 4 Rn. 2.
6: Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 12. Aufl. 2020, § 22 Rn. 31; Brox/Walker, Allgemeiner Teil des BGB, 46. Aufl. 2022, § 28 Rn. 22; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Aufl. 2018, Rn. 64; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl. 2008, S. 370; Leipold, BGB I, 11. Aufl. 2022, § 7 Rn. 38.
7: Kelsen, Reine Rechtslehre, Studienausgabe der 1. Auflage 1934, S. 58.
8: Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 12. Aufl. 2020, § 19 Rn. 23.
9: Vgl. Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 12. Aufl. 2020, § 19 Rn. 29.
10: Grüneberg/Sprau, Einf v § 823, Rn. 2.
11: Grüneberg/Sprau, Einf v § 823, Rn. 2.